Aus dem Schacharchiv von Chess-Results.com: Artikel: 505 vom 19.12.1997, Kategorie Kolumne

Köpferollen bei der Schach-WM in Groningen (19. Dezember 1997)

Top-Favoriten Iwantschuk und Topalow vorzeitig gescheitert.

Das vorzeitige Aus der beiden Top-Favoriten (in der 3. Runde sprang Anand gerade noch von der Schippe!) scheint die Fragwürdigkeit des von der FIDE diktieren neuen Austragungsmodus (KO-System), bei dem praktisch eine einzige Niederlage bereits über Sieg oder Verlust entscheidet, zu bestätigen.

Kasparow und Kramnik lehnen das neue System überhaupt ab bzw. lehnte letzterer die Karpow, der in der Weltrangliste nur noch Platz 7 einnimmt, eingeräumten Privilegien ab.

Von Mittwoch bis heute, steht die 4. Runde mit folgenden Paarungen auf dem Programm: Gelfand-Tkatschiew, Asmaj-paraschwili-Krasenkow, Anand-Almasi, Van Wely-Kir. Georgiew, Zwjaginsew-Drejew, Rublewsky-Short, Schirow-Akopjan und Adams-Swidler.

Nachstehend die beiden für das frühzeitige Ausscheiden der beiden Top-GM verantwortlichen Partien aus der 2. Runde.

Weiß: GM Y. Seirawan

Schwarz: GM W. Iwantschuk

Seirawan - Iwantschuk (11 kb)

Königsindisch [E70]

2. Runde

Anm.: I. Balinov

1. d4 Sf6 2. c4 g6 3. Sc3 Lg7 4. e4 d6 5. Ld3 e5 6. d5 a5 7. Sge2 Sa6 8. f3 Sd7. Auch nach 8. ... 0–0 9. Le3 steht Weiß um eine Spur besser.

9. Le3. Häufiger geschieht an dieser Stelle 9. 0–0 0–0 10. Le3 f5 11. exf5 gxf5 12. Te1, mit etwas besseren Chancen für Weiß.

9. ... Lh6 10. Dd2. Nichts zu befürchten hätte Schwarz hingegen nach 10. Lxh6 Dh4+ 11. Sg3 Dxh6 oder 10. Lf2 Sac5.

10. ... Lxe3 11. Dxe3 c6. Nach 11. ... Sb4 12. 0–0 0–0 steht Weiß nur wenig besser.

12. Dh6 Sdc5?. Ebenfalls vorteilhaft für Weiß war 12. ... Db6 13. 0–0–0 (Vielleicht noch stärker war 13. b3! Sb4 14. Lb1) 13. ... Sb4 14. Td2 Sc5 15. Lc2 cxd5 16. Sxd5 Sxd5 17. cxd5 Ld7 18. Dg7 Ke7 19. f4 Tag8 20. Dh6 exf4 21. Dxf4. Notwendig war daher 12. ... Sb4!? 13. Td1 cxd5 14. Sxd5 Sxd5 15. cxd5, oder 12. ... De7!?.

13. Td1 Db6. Unzulänglich war 13. ... Sb4 14. Lb1, wegen 14. ... cxd5 15. a3! und Schwarz muß einen verlustreichen Rückzug antreten.

14. Lb1 Ke7. Der Bauer "b2" erwiese sich nach 14. ... Dxb2 15. dxc6 Se6 16. Sb5 bxc6 17. Sxd6+ Ke7 18. 0–0 Tb8 (18. ... Dxe2?? 19. Td2) 19. Td2 Db6+ 20. Kh1 und Weiß steht überlegen, als Danaergeschenk.

15. f4!. Unklar wäre hingegen 15. Dg5+ f6 16. Dh6 Kf7 17. dxc6 bxc6 18. Txd6 Dxb2 19. Txc6 Le6.

15. ... exf4. 15. ... Dxb2? verbietet sich wegen 16. fxe5 dxe5 17. Dg7.

16. Tf1. Ebenso gewann 16. Dxf4.

16. ... Tf8. Oder 16. ... Dxb2 17. Dxf4.

17. Dxf4 f6. Auf 17. ... Sc7 folgt 18. e5 dxe5 19. Df6+ Kd7 20. dxc6+.

18. dxc6 Dxc6 19. Sd4 De8 20. Sd5+ Kd8 21. Dxd6+ Ld7 22. Sb5.

Diagramm (12 kb)

Schwarz strich die Segel.


Weiß: GM J. Piket

Schwarz: GM W. Topalow

Damengambit [D39]
1. d4 Sf6 2. Sf3 e6 3. c4 d5 4. Sc3 dxc4 5. e4 Lb4 6. Lg5 c5 7. Lxc4 cxd4 8. Sxd4 Lxc3+ 9. bxc3 Da5 10. Lb5+ Ld7.
Nicht bewährt hat sich auch, wie die heuer in der Staatsliga-A gespielte Partie Tschernin-Hölzl (Merkur-Graz - SG Klagenfurt), unterstreicht 10. ... Sbd7, in der Weiß nach 11. Lxf6 Dxc3+ 12. Kf1 gxf6 13. h4 a6 14. Th3 Db4 15. Le2 Dd6 16. Da4 deutlichen Vorteil erlangte.

11. Lxf6 gxf6 12. Db3 a6 13. Le2 Sc6 14. 0–0 Dc7 15. Da3 Tc8. Etwas elastischer erscheint 15. ... Td8!?.

16. Tad1 Sa5 17. Dc1 Ke7??. Schlecht war auch 17. ... e5? wegen 18. Sf5 (18. Sf3 h6) 18. ... Lxf5 19. exf5 Dxc3 20. Dh6 Ke7 21. Td3 Dc2 22. Tfd1 Tc7 23. Td6 Dxf5 24. Dg7 Tf8 25. Lg4 Dg6 26. Te6 matt, doch hätte 17. ... h5! gute Verteidigungsaussichten geboten.

18. Dh6.

Diagramm (12 kb)

18. ... Lc6??. Zwar scheiterte 18. ... Dxc3 an 19. e5! fxe5 20. Sf5+!! exf5 21. Dd6+ Ke8 22. Dxd7+ Kf8 23. Lh5 Dc7 24. Dxf5 Te8 25. Td7, doch bot 18. ... Tcd8!? Bessere Verteidigungsaussichten.

19. Sxe6!! De5. Andere Züge verlieren sofort, z.B:

1) 19. ... Kxe6 20. e5! (Ebenso gewinnt 20. Lg4+ Ke7 21. e5 fxe5 22. Dg5+ Kf8 23. Lxc8) 20. ... Dxe5 21. Lg4+ Ke7 22. Tfe1 Le4 23. Lxc8 Txc8 24. Dh4 Tc4 25. Td4, bzw.:

2) 19. ... fxe6 20. Dg7+ Ke8 21. Lh5+.

20. Sd4 Tcg8. Nicht besser war auch 20. ... Lxe4 21. f3 Ld5 22. Tfe1.

21. f4 Dc5. Nun scheitert 21. ... Lxe4 an 22. Lf3 Lxf3 23. fxe5 Txg2+ 24. Kh1 Tg6+ 25. Txf3 Txh6 26. Sf5+.

22. Kh1 Tg6. Auch hier erweist sich 22. ... Lxe4 als unzureichend. Man sehe: 23. Lf3 Tg6 24. Dh3 Lxf3 25. Sxf3 h5 26. Dd7+ Kf8 27. Sh4 Tg4 28. Sf5 Kg8 29. De8+ Kh7 (29. ... Df8 30. Dxf8+ Kxf8 31. Td8 matt) 30. Dxf7+ und Schwarz wird mattgesetzt.

23. Dh3. Ebenso gewann 23. Dh5 Dxc3 (23. ... Db6 24. Tfe1) 24. Td3 Db4 25. Sf5+ Kf8 26. Td8+ Le8 27. Sd6 Ke7 28. Td1 Kxd8 29. Sxf7+ Kc7 (29. ... Ke7 30. Sxh8 Tg7 31. Dh6 Kf8 32. Dxf6+ Kg8 33. De6+ Kf8) 30. Sxh8.

23. ... Lxe4 24. Lf3 Lxf3 25. Txf3 Dc7 26. Sf5+ Kf8 27. Tfd3 Sc6 28. Td7 und Schwarz gab auf.


Des Hunnenkönigs wildes Roß!

Geschehen zumal in Köszeg November anno Domini 1997

In der uns von IM Gerhard Schroll, der in Ungarn an einem GM-Turnier teilnahm, übermittelten Partie Igor Babits - IM Attila Kiss, ergab sich in der von extremer Zeitnot diktierten Schlußphase folgende Stellung:

Diagramm (10 kb)

Schwarz forciert Remis, eine für den geneigten Leser unlösbare Aufgabe.

Es folgte: 1. f7 Tf4. 1. ... Td4+ verliert wegen 2. Kc3 Td8 3. b7 Sd6 4. Ta8.

2. b7 Td4+ 3. Kc3 Td8 4. Ta8 Sd6! 5. Txd8 Sb5+ 6. Kb3 Sd4+ 7. Ka4 Sc6 8. Kxa5!!!. (Das Nehmen des Bauern ist zwar gegen die Regeln, doch was soll's) Bravo!!. Schwarz beseitigt genialerweise rechtzeitig das Mattmaterial, um einem Verlust durch Klappenfall vorzubeugen.

8. ... Sxd8 9. b8D Sxb8 10. f8D???. 10. Kc7 hätte noch immer leicht gewonnen, oder auch nicht.

10. ... Sd7, und nun einigten sich die beiden Meister auf Remis.

Mit Abstand eine der skurrilsten Partien, die je in einem Meisterturnier gespielt wurde.

ÖM Lothar Karrer

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